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„Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.“ (§ 1922 Abs. 1 BGB)

Die gesetzliche Erbfolge
Das deutsche Erbrecht ist ein Verwandtenerbrecht. Die gesetzliche Erbfolge vollzieht sich nach einem Ordnungssystem. Ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung schließt Verwandte nachfolgender Ordnung aus. Kinder sind Verwandte erster Ordnung, Eltern und Geschwister folgen nach. Das bedeutet also: Hat der Erblasser Kinder, erben die Kinder alles und die Eltern und Geschwister erben nach der gesetzlichen Erbfolge nicht.
Daneben werden innerhalb der Ordnungen die Erben nach Stämmen und Linien bestimmt.
Als Stamm wird dabei das Verhältnis einer Person zu ihren Abkömmlingen in absteigender Richtung bezeichnet, also zunächst zu den Kindern, dann zu den Enkelkindern, danach zu den Urenkeln und so weiter. Als Linie bezeichnet man die aufsteigenden Verwandtschaftsverhältnisse einer Person zu ihren Eltern und den weiteren Vorfahren.
Innerhalb einer Erbordnung gilt, dass der zur Zeit des Erbfalls lebende nächste Verwandte innerhalb eines Stammes die durch ihn mit dem Erblasser Verwandten von der Erbfolge ausschließt: Lebt die Tochter beim Tod des Vaters, erbt die Tochter, ihre Kinder erben nicht.
Innerhalb einer Erbordnung gilt, dass an die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden nächsten Verwandten innerhalb eines Stammes dessen Abkömmlinge treten, die durch ihn mit dem Erblasser verwandt sind. So wird beispielsweise der Enkelsohn zum gesetzlichen Erben, wenn sein Vater vor dem Opa vorverstorben ist.
Der Ehegatte verdrängt bei gesetzlicher Erbfolge die Verwandten des Erblassers teilweise oder ganz. In § 1931 BGB ist ein eigenständiges gesetzliches Erbrecht zugunsten des Ehegatten geregelt. Der Ehegatte wird Erbe, wenn er mit dem Erblasser bei Eintritt des Todes verheiratet war und den Erblasser überlebt hat. Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.
Leben die Ehegatten im Zeitpunkt des Todes in der gesetzlichen Zugewinngemeinschaft, erbt der überlebende Ehegatte neben den Erben der ersten Ordnung zu 1/2 (1/4 gesetzliches Erbrecht und1/4 pauschaler Zugewinnausgleich gemäß § 1371 BGB), unabhängig davon, wie viele weitere Erben erster Ordnung (insbesondere Kinder) neben dem überlebenden Ehegatten erben. Die weiteren Erben haben einen Anspruch zu gleichen Teilen auf die andere Hälfte des Nachlasses. Erben neben dem überlebenden Ehegatten zwei Kinder, wird jedes Kind Miterbe zu 1/4, erben drei Kinder, wird jedes Kind Miterbe zu 1/6 neben dem überlebenden Ehegatten und so weiter.
Bestand beim Erbfall Gütertrennung (durch Ehevertrag vereinbart) und sind als gesetzliche Erben neben dem überlebenden Ehegatten ein oder zwei Kinder des Erblassers berufen, so erben der überlebende Ehegatte und jedes Kind zu gleichen Teilen.

Erbrechtsstatut – Rechtswahl für die Erbfolge
In der Praxis häufen sich die Fälle mit Auslandsberührung. Die Europäische Erbrechtsverordnung (EUErbVO) regelt für alle Erbfälle innerhalb der EU seit dem 17. August 2015, welches Recht im Erbfall Anwendung findet. Die EUErbVO findet in der gesamten EU mit Ausnahme des Vereinten Königreichs, Irland und Dänemark Anwendung.
Die wohl bedeutendste Änderung durch das Inkrafttreten der EUErbVO ergibt sich daraus, dass die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Erblassers durch die Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes ersetzt wurde. Eine Möglichkeit, die mit der Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt verbundenen Unsicherheiten zu vermeiden, ergibt sich aus Art. 22 EUErbVO. Danach kann eine Person durch Rechtswahl die Erbfolge dem Recht des Staates unterstellen, dem sie im Zeitpunkt der Ausübung der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes angehört. Die Rechtswahl muss in Form einer Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) erfolgen.

Letztwillige Anordnungen
Durch die Erbeinsetzung in der Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag), kann der Erblasser abweichend von der gesetzlichen Erbfolge seine(n) Erben bestimmen. Es können sowohl natürliche als auch juristische Personen als Erben eingesetzt werden. Die gesetzlichen Erben werden durch die Erbeinsetzung eines Dritten, der nicht gesetzlicher Erbe ist, enterbt.
Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil verlangen (§ 2303 BGB). Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Es handelts sich um einen Anspruch gegen den Erben. Mehrere Erben haften bis zur Teilung als Gesamtschuldner; bei noch nicht geteiltem Nachlass können sie die Haftung auf ihren Anteil am Nachlass beschränken. Es besteht kein Anspruch auf Teilhabe am Nachlass. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass ihm die Hälfte des Wertes dessen ausbezahlt wird, was ihm nach dem Gesetz als Erbteil zustünde, wenn er nicht von der Erbfolge ausgeschlossen worden wäre. Der Pflichtteilsanspruchs erhöht sich gegebenenfalls um einen Pflichtteilsergänzungsanspruch. Der Pflichtteilsberechtigte wird (teilweise) an den Schenkungen des Erblassers der letzten zehn Jahre beteiligt. Bei der Berechnung des Pflichtteils wird also so getan, als hätte die Schenkung nicht stattgefunden, als hätte also das Geschenkte noch dem Erblasser gehört (fiktiver Nachlass). Diese gesetzliche Regelung bezweckt, dass der Erblasser den Pflichtteilsanspruch nicht durch lebzeitige Schenkungen aushöhlen kann. Für jedes Jahr, welches nach dem Zeitpunkt der Schenkung vergangen ist, sind zehn Prozent vom Wert des Schenkungsgegenstandes abzuziehen.

Gemeinschaftliches Testament
Bei einem gemeinschaftlichen Testament setzen sich die Ehegatten (beziehungsweise Lebenspartner) in der Regel für den ersten Erbfall gegenseitig und für den zweiten Erbfall einen Dritten (meist die Kinder) zu Erben des Überlebenden ein. Die Erbeinsetzung im ersten Fall kann dabei dem sogenannten Einheitsprinzip oder dem Trennungsprinzip folgen.
Beim Einheitsprinzip wird der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Erstversterbenden Vollerbe und die Kinder Schlusserben im zweiten Erbfall. Das Vermögen des Erstversterbenden verschmilzt im ersten Erbfall mit dem Eigenvermögen des länger lebenden Ehegatten zu einem Vermögen. Diese Variante des gemeinschaftlichen Testaments wird auch als Berliner Testament bezeichnet.
Beim Trennungsprinzip bestimmen die testierenden Ehegatten (beziehungsweise Lebenspartner), dass der überlebende Ehegatte nur Vorerbe und die Kinder Nacherben werden. Der Nacherbfall tritt dabei mit dem Tod des länger lebenden Ehegatten ein. Die Kinder erhalten einerseits als Nacherben den Nachlass des erstversterbenden Ehegatten und zum anderen als Vollerben den Nachlass des länger lebenden Ehegatten. Zwischen dem ersten und zweiten Erbfall bestehen damit zwei rechtlich voneinander getrennte Vermögensmassen, einerseits die Vorerbschaft und andererseits das Eigenvermögen des länger lebenden Ehegatten.

Vor- und Nacherbschaft
Durch die Anordnung von Vor- und Nacherbfolge tritt eine „gestaffelte“ Erbfolge ein. Der Vorund der Nacherbe sind beide Erben des Erblassers. Die Erbschaft ist zunächst Sondervermögen in der Hand des Vorerben. Im Zweifel tritt der Nacherbenfall mit dem Tod des Vorerben ein. Hier sind Gestaltungsalternativen denkbar. Beispielsweise könnte der Nacherbenfall an den Eintritt der Volljährigkeit des Vorerben oder an den Tod des geschiedenen Ehegatten geknüpft werden. Der Nacherbe erhält die Vorerbmasse. Der Vorerbe vererbt im Erbfall sein eigenes Vermögen, dass nicht zur Vorerbmasse gehört. Für den Vorerben bedeutet dieses Trennungsprinzip, dass er bezüglich der Vorerbschaft den Verfügungsbeschränkungen eines Vorerben gemäß §§ 2112 ff. BGB unterliegt, während er bezüglich des Eigenvermögens diesen Verfügungsbeschränkungen nicht unterliegt. So sind beispielsweise Verfügungen des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würden. Der Vorerbe kann allerdings von den gesetzlichen Beschränkungen befreit werden (sogenannter befreiter Vorerbe). Durch die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft wird die Nachlasssubstanz für den Nacherben erhalten. Die Vorerbmasse kann durch den Vorerben nicht weitervererbt werden. Nachteil der Vor- und Nacherbschaft ist insbesondere die doppelte Erbschaftsteuerbelastung. Zudem steht nur ein Freibetrag bei Eintritt des Nacherbfalls durch den Tod des Vorerben zur Verfügung. Für das eigene Vermögen des Vorerben wird ein Freibetrag nur gewährt, soweit der Freibetrag für das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen nicht verbraucht ist.

Vermächtnis
Die Erbschaft geht im Wege der Universalsukzession auf den oder die Erben über. Das bedeutet, dass der gesamte Nachlass auf die Erben übergeht. Nur in dieser Gesamtheit kann der Nachlass angenommen oder ausgeschlagen werden. Im Gegensatz dazu wird durch Vermächtnis ein konkreter Vermögensvorteil letztwillig zugewendet. Beim Vermächtnis findet kein „Von-selbst-Erwerb“ statt. Dies ist der entscheidende Unterschied zum Erben.
Durch das Vermächtnis erlangt der Vermächtnisnehmer lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen denjenigen, der mit dem Vermächtnis beschwert wurde. Das ist, in der Regel der Erbe. Das Vermächtnis bietet ein großes Maß an Flexibilität. So kann die Auswahl des Vermächtnisnehmers durch einen Dritten oder durch den Beschwerten nach freiem Belieben erfolgen.  Der Erblasser kann mehrere mit einem Vermächtnis bedenken und die Entscheidung, wer das Vermächtnis aus diesem von ihm bestimmten Personenkreis erhält, einem anderen überlassen. Die Auswahl kann dem Beschwerten oder einem Dritten (zB Testamentsvollstrecker, überlebender Ehegatte; Steuer- oder Unternehmensberater bei Unternehmensnachfolge übertragen werden. Es besteht keine Höchstpersönlichkeit wie bei der Erbschaft, bei der der Erblasser den Erben selbst bestimmen muss. Auch der Vermächtnisgegenstand kann durch einen Dritten bestimmt werden. So kann beispielsweise ein Zweckvermächtnis zur Steueroptimierung ausgesetzt werden, das es dem überlebenden Ehegatten ermöglicht, die Freibeträge im ersten Erbfall möglichst vollständig auszuschöpfen, indem er die durch das Vermächtnis geschuldete Leistung selbst bestimmt.
Es gibt viele Möglichkeiten durch letztwillige Verfügungen bestimmte Personen von der Erbfolge auszuschließen oder einzusetzen, den Pflichtteil für enterbte Abkömmlinge bereits zu Lebzeiten zu reduzieren, die Zugriffsmöglichkeiten von Gläubigern einzuschränken und die Freibeträge der Erbschaftsteuer bestmöglich auszunutzen. Für individuelle Beratung können Sie sich an den Notar ihres Vertrauens wenden.