Postbank-Übernahme: Deutsche Bank sieht Klagewelle von bis zu 1,6 Milliarden Euro entgegen.
Im Rahmen der Postbank-Übernahme hatte die Deutsche Bank AG am 7. Oktober 2010 den damaligen Aktionären der Postbank AG ein freiwilliges Übernahmeangebot in Höhe von 25 Euro je Aktie gemacht. Vor dem Landgericht Köln konnte nun die Kanzlei Schirp Neusel & Partner Rechtsanwälte mbB belegen, dass dieses Übernahmeangebot zwei Jahre zu spät kam. Vielmehr war die Deutsche Bank nach dem Wertpapier- und Übernahmegesetz (WpÜG) innerhalb der gesetzlichen Frist bereits spätestens zum 31. Oktober 2008 verpflichtet gewesen, den Postbank-Aktionären ein weitaus höheres Übernahmeangebot zu unterbreiten.
Die Kläger machen nun vor Gericht geltend, einen Anspruch von 57,25 Euro pro Aktie gehabt zu haben. Sie fordern die Differenz zwischen dem erhaltenen Übernahmepreis und einer angemessenen Gegenleistung nach dem WpÜG nebst Zinsen seit dem 12. September 2008. Ihre Forderungen belaufen sich auf 32,25 Euro pro Aktie.
Der Bundesgerichtshof brachte Klärung
Nachdem die Rechtsfrage jahrelang ungeklärt blieb, ob und auf welcher Rechtsgrundlage ehemalige Aktionäre einen Nachzahlungsanspruch geltend machen können, wenn der angebotene Übernahmepreis zu niedrig gewesen war, brachte erst der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 29. Juli 2014 (AZ: II ZR 353/12) die ersehnte Klärung.
Und obwohl die Deutsche Bank jüngst eine PR-Offensive startete und ihre Kunden um Entschuldigung für die schief gelaufene Geschäftspolitik bat (so wolle man Altlasten bereinigen, hinter sich lassen und zuversichtlich nach vorne blicken), lässt sie es nun dennoch auf einen weiteren Milliarden-Rechtsstreit ankommen. Dabei zeigt die Deutsche Bank trotz der Beweislage keinerlei Einigungsbereitschaft und auch von ihrer nach außen getragenen Reue ist im Prozess der übervorteilten Postbank-Aktionäre nichts zu spüren. Betroffene Investoren, die im Oktober 2010 Aktien der Postbank hielten, müssen daher nun spätestens bis zum 31. Dezember 2017 Klage erheben.
Der Ansatz der Klage: Illegitimes „Acting in Concert“
Die Klage gegen die Deutsche Bank stützt sich auf den Vorwurf, bei der Postbank-Übernahme habe es ein sogenanntes „Acting in Concert“ zwischen Deutscher Bank und Post gegeben. Dies wurde durch das Urteil des Bundesgerichtshofes ermöglicht. Dieser hatte entschieden, dass der Nachzahlungsanspruch für die ehemaligen Aktionäre der Postbank besteht, wenn zwischen Deutscher Bank und Post ein solches „Acting in Concert“ nachgewiesen wird.
Der Begriff „Acting in Concert“ wird verwendet, wenn Unternehmen ihr Verhalten aufeinander abstimmen. Die Stimmrechtsanteile der gemeinsam agierenden Investoren werden dann einander zugerechnet. Im Falle der Postbank wird der Deutschen Bank vorgeworfen, mit der Post eine nicht offen gelegte Absprache getroffen zu haben. Die Folge war, dass sich, trotz offizieller Minderheitsbeteiligung der Deutschen Bank an der Postbank von unter 30 %, die Geschäftspolitik der Postbank nach den Interessen der Deutschen Bank richtete. So konnte die Deutsche Bank die Geschäfte der Postbank zu einem Zeitpunkt beherrschen, als sie die Schwelle für ein Pflichtangebot (30 % der Aktien) noch nicht überschritten hatte.
Der Bundesgerichtshof stellte insbesondere klar, dass die Bemessung einer angemessenen Abfindung der Postbank-Aktionäre auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kontrollübernahme – und damit nach Auffassung der Kläger auf den Zeitpunkt der Übernahmevereinbarung am 12. September 2008 – zurückbezogen werden muss. Gelingt der Nachweis, dass ab diesem Zeitpunkt die Deutsche Bank bereits die tatsächliche Kontrolle über die Postbank ausübte, obwohl deren Aktien noch mehrheitlich von der Deutschen Post gehalten wurden, wäre bereits zu diesem Zeitpunkt ein Übernahmeangebot nach dem WpÜG erforderlich gewesen.
Wurden der Post von der Deutschen Bank im September 2008 noch 57,25 Euro für die Postbank-Aktien in Aussicht gestellt, so erhielten die Aktionäre der Postbank im Oktober 2010 nur ein Angebot von 25 Euro je Aktie. Dieser Preis stellt jedoch keine angemessene Gegenleistung für die Postbank-Aktien im Sinne des Gesetzes dar. Daraus ergibt sich für die ehemaligen Postbank-Aktionäre der Nachzahlungsanspruch von 32,25 Euro je Aktie. Insgesamt sind ca. 50 Millionen Aktien betroffen.
Nach Auffassung der klagenden Aktionäre war die Deutsche Bank von 2008 bis 2009 zwar noch offizielle Minderheitsaktionärin der Postbank, bestimmte jedoch bereits maßgeblich die Geschäftspolitik der Postbank. Möglich soll dies aufgrund der Vereinbarung zwischen der noch-Mehrheitsaktionärin Deutsche Post AG und der erwerbenden Deutschen Bank gewesen sein, in der sich die Post verpflichtete, ihre Stimmrechte an der Postbank im Interesse der Deutschen Bank auszuüben. Diese Interessenschutzvereinbarung zwischen Deutscher Bank und Post kann unter anderem durch die praktische Einflussnahme der Deutschen Bank auf die Kreditgeschäfte der Postbank belegt werden. Zudem sind Mitarbeiter der Postbank bereit, im Prozess als Zeugen auszusagen. Der Vorwurf liegt darin, dass bei den Kreditentscheidungen der Postbank unter dem Aspekt von Konzentrationsrisiken Kreditlinien der Deutschen Bank und der Postbank gemeinsam berücksichtigt wurden.
Die Klage provozierte bereits erste Reaktionen
Die durch die Klage hervorgerufene Nervosität auf Bankenseite bekam auch die Kanzlei Schirp Neusel & Partner, und insbesondere Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Schirp persönlich, bereits zu spüren: Aufgrund der ihm vorliegenden Entscheidungen des Kreditausschusses der Postbank ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Geheimnisverrats. „Dieser Vorwurf ist absurd“, so Dr. Schirp. „Als Organ der Rechtspflege bin ich verpflichtet, Missstände aufzuzeigen und daraus bestehende Zahlungsansprüche für meine Mandanten rechtlich geltend zu machen. Dabei steht der Schutz unserer Informanten selbstverständlich an oberster Stelle.“ Whistleblower zu sein ist in Deutschland, anders als im angloamerikanischen Raum, nicht angesehen. Auch in dieser Hinsicht heizt der Fall die überfällige Whistleblower-Debatte erneut an.
Auf dieser Grundlage werden bereits Klageverfahren vor dem Landgericht Köln geführt. Unter den Postbank-Aktionären befinden sich sowohl zahlreiche deutsche als auch internationale institutionelle Anleger.
Als Vertreter der geschädigten Kläger sind wir zuversichtlich, eine entsprechende Nachzahlung für unsere Mandanten erreichen zu können und bereiten derzeit weitere Klagen mit einem Schadensvolumen in Milliardenhöhe vor.
Für Fragen steht ihnen die prozessführende Rechtsanwältin Antje Radtke-Rieger gerne zur Verfügung