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Am 22. November 2024 begann vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht in München das mit Spannung erwartete Kapitalanleger-Musterverfahren gegen die Wirecard AG und deren ehemaligen Abschlussprüfer EY. Als erfahrene Rechtsanwältin mit besonderer Expertise im Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG) war ich für meine Mandantschaft selbstverständlich vor Ort.

Hohes öffentliches Interesse – und ein ungewöhnlicher Verhandlungsort
Aufgrund der enormen Zahl der Beteiligten wurde der Termin nicht im Gericht, sondern in der Wappenhalle der Messe München abgehalten. Über 8.500 Kläger sind dem Verfahren offiziell beigeladen; zusätzlich haben mehr als 19.000 geschädigte Anleger ihre Ansprüche angemeldet, um die Verjährung ihrer möglichen Schadensersatzansprüche zu hemmen.

Zulässigkeit des Musterverfahrens gegen EY – ein zentrales Thema
Im Mittelpunkt des Termins stand die Frage, ob das Verfahren gegen EY überhaupt unter das KapMuG fällt. Diskutiert wurde insbesondere, ob Bestätigungsvermerke von Wirtschaftsprüfern als öffentliche Kapitalmarktinformationen im Sinne des Gesetzes gelten. Aus meiner Sicht spricht viel dafür, dass dies bejaht wird – nicht zuletzt, weil der Gesetzgeber mit der Erweiterung des § 1 Abs. 2 Satz 2 KapMuG in 2024 eine entsprechende Klarstellung vorgenommen hat.

Schwache Vorlage des Landgerichts München I
Die Vorsitzende Richterin ließ bei der Erörterung der Feststellungsziele wenig Zweifel daran, dass sie die Qualität der vom Landgericht München I vorgelegten Feststellungsziele kritisch sieht. Zahlreiche dieser Ziele seien unbestimmt oder unzulässig – ein Eindruck, den ich teile. Voraussichtlich wird ein Großteil dieser Feststellungsziele – etwa 90 % – zurückgewiesen.

Wie geht es weiter?
Das Gericht hat für den 28. Februar 2025 einen Verkündungstermin angesetzt. Ich rechne damit, dass dort festgestellt wird, dass das Musterverfahren gegen EY zulässig ist – was ein wichtiger Zwischenschritt für alle geschädigten Anleger wäre. Gleichzeitig dürfte ein Großteil der bisherigen Feststellungsziele entfallen. In der Folge wird sich das Gericht mit rund 2.500 neuen Feststellungsanträgen beschäftigen müssen, die im Nachgang zum Vorlagebeschluss eingereicht wurden. Erst danach wird mit der inhaltlichen Klärung der Schadensersatzansprüche begonnen.

Vergleich? Aus meiner Sicht noch zu früh.
Zwar hat die Vorsitzende Richterin eine gütliche Einigung angeregt – ein deutliches Signal in Richtung EY. Doch nach meiner Einschätzung ist derzeit nicht mit einer Vergleichsbereitschaft auf Seiten des Wirtschaftsprüfers zu rechnen. Eine rechtliche Bewertung zur Haftung von EY steht bislang noch aus.

Mein Fazit für Sie als Anlegerin oder Anleger:
Das Musterverfahren nimmt Fahrt auf – und die juristischen Weichenstellungen sind im Gange. Als anwaltliche Vertreterin mit langjähriger Erfahrung im Kapitalmarktrecht und im KapMuG-Verfahren stehe ich meinen Mandanten in dieser komplexen Auseinandersetzung kompetent zur Seite. Ich halte Sie selbstverständlich über den weiteren Verlauf des Verfahrens auf dem Laufenden – insbesondere nach dem anstehenden Verkündungstermin im Februar.