Am 28. Februar 2025 hat das Bayerische Oberste Landesgericht eine wegweisende Zwischenentscheidung im Kapitalanleger-Musterverfahren rund um den Wirecard Skandal getroffen. Als Ihre anwaltliche Vertreterin im Musterverfahren möchte ich Sie über den aktuellen Stand und die Bedeutung dieser Entscheidung informieren.
Das Wichtigste vorweg:
Das Gericht hat in seinem sogenannten Teil-Musterentscheid festgestellt, dass das Verfahren gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY nicht im Rahmen des Kapitalanlegermusterverfahrens (KapMuG) geführt werden kann. Es hat damit zentrale Feststellungsziele, die eine andere Kanzlei in einem Vorlagebeschluss des Landgerichts München I beantragt hatte, als unzulässig zurückgewiesen.
Was hat das Gericht entschieden?
- Die Zulässigkeit des Verfahrens gegen EY war der alleinige Prüfungsgegenstand dieser Zwischenentscheidung – nicht die Frage, ob EY haftet.
- Das Gericht stellte klar: Die von EY erteilten Bestätigungsvermerke gelten nicht als öffentliche Kapitalmarktinformationen im Sinne des KapMuG. Damit falle die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen EY nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes.
- Die Folge: Ansprüche gegen EY können in diesem Musterverfahren nicht weiterverfolgt werden.
Wie geht es jetzt weiter?
- Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Wir erwarten, dass der Bundesgerichtshof (BGH) innerhalb der nächsten zwei Jahre abschließend über diese Frage entscheidet.
- Bis dahin bleibt EY weiterhin formell Musterbeklagte im Verfahren.
- Das Verfahren vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht läuft unabhängig davon weiter. Als Nächstes prüft das Gericht die Zulässigkeit der rund 2.500 Erweiterungsanträge, bevor es inhaltlich zur Sachverhalts- und Anspruchsprüfung übergeht.
Was bedeutet das für Ihre Ansprüche?
- Ihr individuelles Klageverfahren bleibt vorerst weiterhin ausgesetzt.
- Sollte der BGH die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts bestätigen, wird Ihr Verfahren wieder aufgenommen und eigenständig fortgeführt – unabhängig vom weiteren Verlauf des Musterverfahrens.
- Die grundsätzliche Erfolgsaussicht Ihrer Schadensersatzansprüche gegen EY wird durch die Zwischenentscheidung nicht beeinträchtigt.
Meine Einschätzung
Diese Entscheidung ist ein wichtiger Meilenstein – aber kein Rückschlag. Sie betrifft lediglich das Verfahrensformat, nicht die materielle Rechtslage. Ungeachtet der Entscheidung bin ich weiterhin überzeugt, dass es gute Gründe für eine Haftung von EY im Zusammenhang mit der jahrelangen Testierung der Wirecard-Bilanzen gibt. Ich werde Ihre Interessen mit Nachdruck weiterverfolgen – vor und gegebenenfalls auch außerhalb des Musterverfahrens.
Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen und werde Sie selbstverständlich über alle weiteren Entwicklungen – insbesondere über die Entscheidung des BGH – zeitnah informieren.